Montag, 11. Juni 2012

Schön und reich, der Traum jedes Kleinbürgers und Studenten. Hier in Hyderabad wird er wahr. Schalte ich den Fernseher an, flimmern vorwiegend weiße Menschen, die westliche Dinge tragen und tun und besonders viel und teuer konsumieren. Dann gehe ich auf die Straße und sehe nur dunkle Menschen. Obwohl Hyderabad eine der größten Städte Indiens ist, sieht man hier praktisch nie einen Weißen (Westler) auf der Straße. Die Touristen kommen hauptsächlich aus dem eigenen Land. So kommt es dann auch, dass uns praktisch jeder Passant hinterher sieht und viele uns grüßen, anfassen und uns „Which country?“ fragen. Ich bin dann einerseits ziemlich begeistert, dass Fremde so einen besonders hohen Stellenwert haben und würde dann am Liebsten Indien als Kulturintegrations-Vorbild mit nach Deutschland nehmen, andererseits bekommen wir auch nie Ruhe auf der Straße und ich erahne, wie man sich als Promi auf der Straße fühlen muss. Gestern waren wir in Hyderabads Zoo, einem der größten in ganz Asien, und wir selbst sind unfreiwillig zur Attraktion geworden. Nach den ersten drei Nachfragen, ob wir nicht ein indisches Familienfoto mit unserer Prominenz aufwerten könnten, und sich die üblichen Trauben von Neugierigen um uns gebildet hatten, die uns filmten oder anstarrten, begaben wir uns dann langsam auf die Flucht… die nächsten 30 Anfragen hat dann unser indischer Freund Prasad für uns abgewimmelt. Dafür sind die Kinder, vor allem Mädchen immer zuckersüß, wenn sie mich neugierig-erschreckt entdecken, anlachen und mir die mutigen unter ihnen sogar die Hand geben oder mich „zufällig“ im Vorbeigehen streifen.
Reichtum in Indien ist ein ganzes Kapitel für sich, Armut wohl eine ganze Romanreihe, auf die ich sicherlich noch öfters zurückkommen werde. Wir haben das große Glück, uns praktisch alles leisten zu können und haben das in den ersten Tagen ziemlich stark ausgereizt. Das Essen ist hier einfach verdammt lecker, es besteht meistens aus einem Brotenfladen oder Reis, einem aufwändig gewürzten Gemüse-Marsala mit Käse und zum Mischen oder Ablöschen einem Joghurt oder Buttermilch. Dann gibt es zahllose Süßigkeiten und Säfte, Kokosnüsse, Mangos, Papaya, Bananen und Wassermelonen, die natürlich ne ganze Ecke intensiver schmecken als in Deutschland, und wir sind tageweise gar nicht mehr aus der Konsumsucht herausgekommen. Noch einen Mangosaft zwischendrin? Warum nicht, kostet ja nur 25 Cent. Ach, und  eigentlich hab ich doch schon wieder Hunger, ein Bisschen pass noch was rein. Also noch ein ganzes Menü, kostet auch nur 60 Cent. Man müsste meinen, wir würden uns nach den paar Tagen auf Fettringen über den Campus rollen. Aber man verbraucht ziemlich viel Energie, um gegen die Temperaturen zu kämpfen und die Eindrucke zu verarbeiten - ich trinke dabei 4-5 Liter am Tag. Die Inder haben dagegen eher selten Durst. Die Muslime, die mit 40% sehr stark in Hyderabad vertreten sind, schaffen es sogar, bei 42° C in schwarzen Burkas Sport zu machen – da kommt einem der Inder, der angeblich 70 Jahre ohne Essen und Trinken zugebracht haben soll, glaubhaft vor.

Aber genug der Laberei, ich zeig mal ein Paar Bilder:


Hereinspaziert ins Männerhostel...

Ausnahmsweise Damenbesuch bei Alex im Zimmer
Mein schlichtes aber funktionales Zimmer
Der Shopping Complex am Campus verorgt uns mit Snacks, Frisuren und Krempel
Hier wird tatsächlich geforscht...
Lange ungesicherte Leitern hoch zum Wasserturm versprechen den besten Blick auf den Sonnenaufgang am Campus. Auf den Dächern schläfft auch der ein oder andere.
Alltägliche Kuh-Herde auf der Suche nach Essbarem auf dem Campus...




Das ist der Eingang von unserem Wohnheim, hier wohnen sonst nur PhD-Studenten und um an eines der Zimmer zu kommen, die wir belegt haben, wartet man als Doktorand normaler Weise auf einer Liste, bis 60 andere Bewerber einen Platz bekommen haben. Also echter Luxus, und das für 50 EUR Miete für alle 3 Monate. Die Bettmatratze war nach 4 Nächten durchgelegen, ich habe die ersten großen Spinnen und Geckos im Bad entdeckt, die Moskitos halten sich mit 1-2 Stichen pro Nacht höflich zurück. Der Campus ist riesig, grün und strotzt vor unfassbar vielen Tieren, eine echte Oase in der chaotischen, menschenüberfüllten Stadt. Wir brettern im Linksverkehr mit halbverschrotteten Fahrrädern über das Gelände, die aus mindestens fünf anderen halbverschrotteten Vorgängern zusammen gebastelt wurden. Auf dem Weg zum Labor muss man dann aufpassen, keine Affen, Streifenhörnchen, streunende Hunde oder Kühe über den Haufen zu fahren. Die viel zu kleinen, aber erstaunlich reich ausgestatteten Labore selbst sind zum größten Teil im Science Complex untergebracht. Die PhDs waren bislang alle seehr nett zu uns und zeigen uns jede Menge neuer Methoden. Einen Doktor macht man hier in 5-9 Jahren, weil das nachordern von Labormaterialien aus dem Westen immer 2-3 Monate dauert. Die Arbeitszeiten sind ganz schön flexibel, und niemand meint halb 10, wenn er halb 10 sagt. Andererseits arbeiten auch viele samstags mal ein paar Stündchen. Die Begegnung mit unserem Betreuenden Prof war verstörend. Er ist nett und respektvoll zu uns, seine Doktoranden müssen ihm aber die Füße küssen. Zentrum seiner Macht ist eine rosafarbene Klingel, die er bei Fragen und Anweisungen genüsslich für endlos erscheinende Sekunden aufzieht. Dabei entsteht ratlose Stille im Raum, die irgendwann durch ein Klingeln gebrochen wird. Sofort duckt sich dann ein Mitarbeiter ins Zimmer und führt Anweisungen aus, wie z.B. uns einen Tee zu servieren. Dabei ist eine dankende Geste des Chefs selbstredender Weise fehl am Platz.

Wenn man das Gelände durch das gut bewachte Haupttor verlässt, stürzt man sich am besten mit Rikscha-Auto oder Bus in das pulsierende Stadtleben. Wir haben hier in kurzer Zeit sehr nette Inder kennen gelernt, die uns in jeder freien Minute etwas erklären oder zeigen, und es gibt viel zu sehen und noch mehr Fragen, auf die wir Antworten suchen.
Ein paar Fotos seien hier schon mal gezeigt, die eine oder andere Geschichte gibt’s dazu ein anderes Mal. Eine letzte trockene Nacht, morgen soll der Monsun einsetzen…




Im Bus in die Stadt kann es oft eng werden






Ausnahmsweise eine ruhige Seitengasse mit einem der zahllosen Essensstände
Muslimisches Kind in Autorikscha

In eine Rikscha passen mindestens acht Inder

Das leckere Essen wird meistens in endzeitlichen Küchen zubereitet

Dieses Baby hatte so große Augen, dass sich der riesige Stoffbasar in ihm spiegelte

Ein einfallsreicher Süßigkeitenstand am Wegesrand - das bunte sind Kekspackungen.

Ziege auf der STraße hat Hunger und probiert mal was neues



Mann bei Busabfahrt

Alte Frau im Park

Gemüsemarkt

Marktverkäuferin

Grillen am campuseigenen See mit Stockbrot und Maiskolben

Hunderte Flughunde fliegen bei Sonnenuntergang über den Campus zum See